Ursprünglich hatten Nationalparkverein und Nationalparkstiftung ihre im Unteren Odertal für Naturschutzzwecke erworbenen Flächen zunächst an örtliche, landwirtschaftliche Betriebe verpachtet mit naturschutzfachlichen Auflagen. Dabei ging es beispielsweise um die Besatzdichte, aber auch um den frühesten Nutzungszeitpunkt, der auf den 1. Juli eines jeden Jahres festgelegt wurde. Auf den meisten Flächen (ca. 90%) von Verein und Stiftung sowie der Öko Agrar GmbH wird dieser Termin auch immer noch so praktiziert.
Auf einigen Flächen hingegen wirtschaften die Naturschutzorganisationen nun selbst und zwar in Form der Öko Agrar GmbH als zertifizierter Ökolandbaubetrieb. Es war ein längerer Prozess, bis sich der Naturschutz für diesen Weg entschieden hatte. Er hat sich bewährt. Das wichtigste Motiv dafür war, zeigen zu wollen, dass auch mit einer extensiven Mutterkuhhaltung auf feuchten Grünlandflächen einer Aue ein wirtschaftlicher Betrieb möglich ist, eine Symbiose aus Landschaftspflege und gewinnorientiertem Wirtschaften mit guten, sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen. Für viele der alteingesessenen Landwirte war das nur schwer vorstellbar. Auch 20 Jahre nach Gründung des Nationalparkes im Unteren Odertal gab es keinen einzigen Ökolandbaubetrieb in der Region, obwohl Verein und Stiftung und viele andere sehr dafür geworben hatten. So wollten wir also mit gutem Beispiel vorangehen. Mittlerweile haben sich mehrere Neu- und Wiedereinrichter als Ökolandbau-Betriebe angesiedelt, etablierte Betriebe haben auf Ökolandbau umgestellt. Unser Beispiel macht Schule. Die Idee war richtig.
Darüber hinaus steht der Naturschutz, insbesondere der Wildnisorientierte, immer vor der Frage, welchen Zustand er eigentlich durch seine Arbeit wiederherstellen möchte. Auf das Untere Odertal heruntergebrochen bedeutet das, wollen wir eine extensiv genutzte Agrarlandschaft, wie sie beispielsweise im 19. Jahrhundert vor der Flussregulierung üblich war, als Zielvorstellung? Wollen wir eine Natur, eine sekundäre Wildnis ermöglichen, wie sie im frühen Mittelalter und im Altertum, vom Menschen nur ansatzweise beeinflusst, nach all unserer Kenntnis von heute wohl existiert haben mag oder wollen wir sogar noch zurück in prähistorische Zeiten? Diese Frage muss der Naturschutz und die ihn tragende Gesellschaft und Politik diskutieren und entscheiden, durchaus auf unterschiedlichen Flächen auch unterschiedlich.
Nach der Großherbivoren-Hypothese gehen wir davon aus, dass bis zur deutschen Ostkolonisation im Hochmittelalter das Odertal vom Menschen nur wenig beeinflusst war. Die natürlichen Großsäuger wie Wisent (Bison bonasus), Auerochse (Bos taurus primigenius), westliches Wildpferd (Equus ferus), Elch (Alces alces) und natürlich auch die Raubtiere Bär (Ursus arctos), Wolf (Canis lupus) und Luchs (Lynx lynx) waren hier heimisch. Nur Rothirsch (Cervus elaphus), Wildschwein (Sus scrofa) und Reh (Capreolus capreolus) werden heute noch geduldet und dürfen frei herumlaufen. Die Großherbivoren wurden dann nach und nach verdrängt und durch Haustiere, auf den künstlich geschaffenen Trockenrasen überwiegend Schafe und Ziegen, in der Aue selbst überwiegend Rinder und auch Pferde, ersetzt. Wie die wilden Großsäuger haben auch die domestizierten die Landschaft offen gehalten, die, soweit wir wissen, nie völlig von Auwald bedeckt war. Zwar zeigen historische Karten aus dem Mittelalter, dass zwei Drittel der Oderaue im Mittelalter mit Wald bedeckt waren, aber mit lockerem Auwald, der immer wieder durch Überflutungsereignisse und andere natürliche Kalamitäten aufgebrochen wurde. In diesem Grenzbereich zwischen Wald und Wiese fühlten sich die Großsäuger zu Hause, die Wisente vermutlich eher im Wald, die Auerochsen eher in halboffenen Landstrichen. So genau kann man das nicht mehr rekonstruieren. Jedenfalls wollen wir die Landschaft offen und vielgestaltig mit vielen Grenzbereichen und Übergängen halten, um eine Vielfalt der Lebensräume zu ermöglichen.
Dabei sind die drei Rinderartigen Auerochse, Wasserbüffel und Wisent unterschiedlich zu bewerten: Während beim Wisent als letzten verbliebenen einheimischen Wildrind der Gedanke der Arterhaltung im Mittelpunkt steht, ist es beim Heckrind die Freude an der zumindest phänotypischen Rückzüchtung soweit als möglich, aber auch der landwirtschaftliche Nutzen. Beim Wasserbüffel steht als eindeutigem Nutztier auch die wirtschaftliche Verwertung im Mittelpunkt. Für jedes Tier gibt es also einen etwas anderen Ansatz.